Abendzeitung München: »Die Münchner lagern ein«

von: Jasmin Menrad

»Weil es immer weniger Stauraum in den Wohnungen gibt, mieten sich viele ein Abteil
Der Keller ist feucht, das Dachgeschoss ausgebaut und in der teuren Wohnung ist kein Platz für eine Rumpelkammer. Viele Münchner wissen nicht mehr, wohin mit all ihren Dingen. “Die Menschen besitzen immer mehr. Nach Jahrzehnten ohne Krieg, hat sich einiges angesammelt”, sagt die Anthropologin Petra Beck.

Die 36-jährige forscht zu materieller Kultur und hat jetzt eine Arbeit darüber veröffentlicht, wo Menschen Dinge einlagern. Dafür hat sie sich in München und Berlin in Lagerräumen von “MyPlace” umgeschaut. “Ich habe die ganze Bandbreite von Menschen getroffen, die in Städten leben. Vom Obdachlosen, der sein ganzes Hab und Gut einlagert bis zur Opernliebhaberin, die ihre Abendgarderobe in einem Ein-Quadratmeter-Abteil hängen hat”, sagt Beck.

Einer der etwa 3500 Mieter in München ist Harald Schaal. Der 62-jährige lagert für den Ortsverband der Münchner Amateurfunker Tischmikrophone, Allwellen-Empfänger, und Handfunkgeräte auf fünfeinhalb Quadratmetern. Der Nachlass eines ehemaligen Mitglieds. “Das sind 30 Kartons mit Amateurfunk-Technik. Damit brauch’ ich nicht nach Hause kommen”, sagt Schaal. Nach und nach verkauft er die Funk-Technik, am 16. März auf dem Amateurfunk-Flohmarkt in Ataching. Ab April will er ein kleineres Abteil mieten. Momentan zahlt der Ortsverband 140 Euro für das Abteil, bezahlt von den Verkaufserlösen.

Nur etwa 20 Prozent der Münchner Mieter sind Gewerbekunden. Ein Moosacher Bäcker lagert im Winter die Eismaschine und im Sommer die Lebkuchenmaschine ein. Andere sind Anwälte, die ihre Akten lagern, Weltreisende, die ihr Leben in Kisten packen oder junge Paare, die zusammenziehen und dann alles doppelt haben. Andere Nutzungen sind poetisch: “Ein Vater hat all die Kindersachen seiner Tochter aufbewahrt: Fotos, Super8-Filme, Spielsachen. Doch die Tochter ist mittlerweile Rechtsanwältin und ein sehr pragmatischer Mensch. Sie hat kein Interesse an den Dingen ihrer Kindheit”, sagt Beck.«

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