Häuser für Dinge

Häuser für Dinge

Landsberger_Außen

Selfstorage ist eine Dienstleistung, die boomt. Allein in Deutschland sind in den letzten Jahren mehr als 70 urbane Depots entstanden. Wie funktionieren diese Häuser? Und wer nutzt sie? Eine Feldforschung in der Welt des Selfstorage an 14 Standorten in München und Berlin.

In deutschen Großstädten entstehen seit einiger Zeit Häuser, deren Räume ausschließlich den Dingen gehören. Es sind meist mehrgeschossige Neubauten an hochfrequentierten Straßen in innerstädtischen Lagen. Sie sind bis zu sieben Geschosse hoch, mehrere tausend Quadratmeter groß und durch die Außenwerbung von Weitem erkennbar. Im Inneren dieser Häuser gibt es uniforme Räume unterschiedlicher Größe. In ihnen herrscht die Ordnung der Dinge, die dort, aus dem Gebrauch genommen, hausen. Die Flut von Material hat eigene Regeln des Aufbaus, der Leere und der Dichte. Der Raum wird anders als gewohnt besetzt. Eine der Firmen wirbt mit dem Slogan: „Wie ein Hotel, aber für Sachen!“ Diese schlummern verborgen, gestapelt, ineinander verschlungen hinter tausend gleichen Türen.

Was ist das für eine Gesellschaft, die in ihrer Mitte gigantische Häuser für Dinge errichtet? Anders gefragt: Was würden wir über eine solche Gesellschaft denken, wenn es nicht unsere eigene wäre? Was wäre, wenn etwa Claude Lévi-Strauss oder Bronislaw Malinowski nach einer langen Reise über fremde Ozeane und durch tropische Wälder dieser Praktik begegnet wären? Sie hätten sicher Anlass zum Staunen gehabt: Die Größe der Häuser und ihre kleinteilige innere Parzellierung; die Wahrnehmung als öffentlicher Ort durch riesige Werbeflächen, die dazu einladen, private Räume in diesen Häusern zu mieten; die Entrichtung eines nicht geringen Obolus’, für einen profanen Zweck; der Ausschluss alles Lebenden; eine gemeinsame geübte Praktik, die keine Gemeinsamkeit erzeugt; eine Gesellschaft, die den Konsumismus propagiert und sich zugleich von den Dingen beschwert und eingeschränkt fühlt.

Die Dachböden bewohnt, die Keller verschwunden

Selfstorage ist ein Wirtschaftszweig, der von einer erhöhten Beschleunigung in allen Lebensbereichen, von veränderten Lebensstilen und auch von Einschnitten in Biographien profitiert. Ein neuer Job in einer anderen Stadt, das Zusammenziehen mit dem Partner oder der Partnerin, Scheidung, Auszug, Umzug und Todesfälle in der Familie sind Situationen, die immer auch Dinge freisetzen, in Umlauf bringen oder überflüssig machen. Der zunehmenden Beschleunigung des Dingkarussells halten wir nur zaghafte Drosselungsversuche entgegen. Dinge konkurrieren mehr und mehr mit den Menschen um ihre Räume, und die Menschen sind der Flut der Dinge kaum noch gewachsen. In den Häusern sind die Dachböden hell und bewohnt und die Keller verschwunden. Ganze Straßenzüge werden heute aus Kostengründen ohne Unterkellerung gebaut. Im effizient geschnittenen Apartment gibt es keine Speise- und Rumpelkammern. Gleichzeitig besitzen die meisten Menschen so viele Dinge wie nie zuvor in der Geschichte. Häuser für Dinge sind da die konsequente Fortsetzung der Konsumgesellschaft, es sind Orte der Ent-Sorgung, die eine Distanz schaffen zwischen den Dingen und ihren Besitzern. [Weiterlesen…]

RESTOPIA – SELF-STORAGE AS URBAN PRACTICE. »LIKE A HOTEL – BUT FOR THINGS«

RESTOPIA – SELF-STORAGE AS URBAN PRACTICE. »LIKE A HOTEL – BUT FOR THINGS«

coverThis article explores human-thing-relations and what it means to turn something into »waste« through an ethnography of Self-Storage facilities. Self-Storage entrepreneurs rent out storage rooms for private use in huge buildings. These »Houses for things« might be the logical continuation of consumer society and are related to all other »Thing-spaces« (»Res-Topias«). Self-Storage houses turn out to be an extremely rewarding space for researching material culture, because the things that have arrived in Self-Storage spaces have undergone an intensive process: Self-Storage is based on negotiations, with one’s own self and with others, it demands a reflexive handling of things and their use. The practice of Self-Storage generates a »Self of Self-Storage«, which answered itself questions regarding its past, present, and future. A literary technique from the 18th century –the so called »Zimmerreise« – is applied here for the first time as an ethnographic method to »make things talk«.

The title of this paper is Restopia. Self-Storage as urban practice. What do I mean with the term Restopia? I mean: Thing-spaces. There are classical ones as Gaston Bachelard describes them beautifully: like attics, cellars, corners, drawers… and then there are the maybe less beautiful ones: the fridges, trashcans, lockers and landfills. If you look into the different Thing-spaces of the self, things develop, despite their superficial randomness, an emergent narrative. They stand side by side, one above the other, are left at six and seven, in specific order, they are in boxes, in drawers, in basements, on shelves. They come from different periods of life. Relics and trash, treasures and miscellany keep in touch with (almost forgotten) parts of the past. All Restopias are spaces where things collect. And each collection room is epistemic space. The collection of our own belongings is no exception. It’s the classical arrangement of the musée sentimental: props of everyday life, personal mementos narrate witnessed history. [Weiterlesen…]

Schloss und Schlösser

Schloss und Schlösser

»Denn das Soziale lässt sich nicht aus Sozialem aufbauen, es braucht Schlüssel und Schlösser«

Bruno Latour: »Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der Wissenschaften«, Berlin 1996

Bilder: Petra Beck