September 2016/ Transcript Verlag

Restopia – Self-Storage as Urban Practice.
»Like a hotel – but for things«
Beitrag im Buch: Müll. Interdisziplinäre Perspektiven auf das Übrig-Gebliebene,
herausgegeben von Christiane Lewe, Tim Othold, Nicolas Oxen
Müll und Reste »bleiben übrig«, ohne sich dabei je ganz zu erübrigen: Sie werden geplant, verwaltet, vermieden, vergessen und wiederentdeckt, sie provozieren Ordnungen und transformieren sich und unsere Gesellschaft. Statt die Illusion einer nachhaltigen »Restlosigkeit« aufrechtzuerhalten und alles Übrige und Sonstige sauber fortzukehren, betrachten die Beiträge in diesem Band Müll und Reste als eine kritische Masse, als ein praktisches und theoretisches Phänomen, das von Ökologie und Philosophie bis zu Medienwissenschaft und Soziologie neue Perspektiven ermöglicht und neues Nachdenken fordert – und für die es sich lohnt, etwas übrig zu haben.
»IN GESELLSCHAFT MIT DEM ÜBRIGEN
Auch im Beitrag von Petra Beck geht es um Praktiken und Infrastrukturen, die eine ambivalente Distanz zum Übrigen herstellen. Sie unternimmt eine ethnographische Untersuchung von Self-Storage-Häusern, die sie Restopia nennt: Orte für Dinge. In großen innerstädtischen Gebäuden werden mietbare Parzellen zur privaten Einlagerung von Dingen angeboten. Hier sammeln, akkumulieren und horten Menschen in einer von Mobilität und rascher Veränderung geprägten Konsumgesellschaft jenen materiellen Überschuss, der in knapp gewordenem Wohnraum und flexiblem Lebensstil keinen Platz mehr findet und trotzdem noch nicht weggeworfen werden kann. Die Dinge treten hier ein in einen ontologischen Schwebezustand: Schrott oder Schatz? Sie sind zwar überflüssig geworden, aus einem Nutzungszusammenhang herausgefallen, sie sind vielleicht ersetzt worden und haben ihren selbstverständlichen Platz in einem Lebenszusammenhang mit Menschen und anderen Dingen eingebüßt. Zu Müll werden sie aber nicht so einfach. Ent-Sorgung ist ein komplizierter Prozess. Das Selbst in Self-Storage unterhält meist enge, sentimentale Beziehungen mit den Objekten, deren kategorialer Status zur Disposition steht. Mit den Dingen lagert das Subjekt auch Teile seiner selbst ein. Die Aushandlung zwischen Sammeln, Behalten und Entsorgen wird zur biographischen Tätigkeit. Self-Storing entwickelt daher ganz eigene Zeitlogiken, knüpft enge Bande mit der Vergangenheit und hegt einen festen Glauben an die Zukunft. Ebenso installieren Self-Storage-Häuser ganz eigene räumliche Bezüge. Sie ziehen materielle Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit und installieren einen Abstand zwischen Eigentümer_in und ihren Dingen, der einen Raum zur Neuverhandlung oder Auflösung sozialer Beziehungen zwischen Menschen und Dingen schafft. Dieser stellt zugleich eine Extension und Quasi-Amputation des Selbst dar. Von Eigentümer_innen im Stich gelassener Container-Inhalte, die der Zwangsentsorgung preisgegeben werden müssen, bezeichnet Beck dann auch treffenderweise als »Häutung «.«

 

erschienen im Transcript Verlag
09/2016, 254 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb.
ISBN 978-3-8376-3327-6

 

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