Frankfurter Rundschau: »Dinge und wie sie klingen: Blubbern und Fiepen«

von: Stefan Michalzik

»Oliver Augst, Marcel Daemgen und Karsten Bott klangperformen bei basis Frankfurt.

Ein White Cube, in der Mitte, auf einer raumgreifenden gezimmerten
Holzkonstruktion, eine kaum überschaubare Menge von Gegenständen. Vieles sieht
nach Sperrmüll aus, ein CD-Regal, Relikt einer Ära, die gerade zuendegeht, eine
Schreibmaschine und weiteres mechanisches Gerät, ein Kinderfahrrad, eine
Stehlampe im modernistischen Stil der siebziger Jahre. Es findet sich aber auch viel
Erlesenes darunter, eine schöne alte Kaffeekanne zum Beispiel. Von der wuseligen
Vielfalt geht eine poetische Faszination des Vergangenen aus.
Unter dem Titel „Von jedem eins“ hat der in Frankfurt lebende Künstler Karsten Bott
in den letzten gut zwanzig Jahren mehrfach Auswahlen aus seinem Lebensprojekt,
einem „Archiv der Gegenwarts-Geschichte“ ausgestellt.

Nun hat eine seiner Kompositionen aus Objekten der Dingwelt von der Mitte des 20.
Jahrhunderts bis zur Gegenwart das Setting zu einer Musikperformance unter dem
gleichen Titel im Atelier- und Ausstellungshaus basis am Rande des Frankfurter
Bahnhofsviertels gebildet, mit Oliver Augst (Stimme) und Marcel Daemgen (analoger
Synthesizer und Sampling) vom Kollektiv textXTND sowie Bott selbst mit seiner
Stimme und vor allem einer Produktion von Geräuschen auf den Objekten, die den
konventionellen Begriff von „Perkussion“ sprengt. „Haus, Modelle,
Eisenbahnhäuschen“, lauten die ersten Worte der sonor baritonalen Sprechstimme
von Augst: Inventarlisten zum Archiv von Karsten Bott bilden einen fundamentalen
Teil der Collage aus Texten und Klang, hinzu kommt aus dem Off eine Frauenstimme
mit auf die reine Sachlichkeit reduzierten Protokollen einiger Tagesabläufe eines
Individuums im Jahr 1992.

Dann wird es laut

Wer das weitverzweigte Werk von textXTND seit längerem verfolgt, dem sind
bestimmte wiederkehrende Mittel vertraut. Augsts Stimme greift an einzelnen Stellen
in eine Andeutung von Gesang aus, an anderen Stellen spricht er in das Mikrofon
eines Megaphons und die Stimme klingt blechern. Geräuschhaft die elektronischen
Klänge von Marcel Daemgen, vom Wummern und Blubbern über das Tackern bis
zum Fiepen und Sirren; an einigen Stellen wird es noisig laut.
So sehr das den formalen Mitteln nach wohlbekannt ist, gelingt es Augst und
Daemgen, diesmal eben im Verbund mit Bott, ihrem Fundus immer wieder luzide
Arbeiten hervorzubringen. Triftig im vorliegenden Fall die Spannung zwischen der
äußeren Nüchternheit einer Bestandsaufnahme und dem emotionalen Gehalt des
Vergangenen, erhaben über eine nostalgische Verkitschung. Im Anfang, so der
britische Archäologe Ian Hodder, auf den Petra Beck in einem theoriereflektierenden
Essay im Programmheft Bezug nimmt, war nicht das Wort, sondern das Ding; die
zunehmende Verschränkung von Mensch und Ding, so der Befund, habe zu
wesentlichen Schüben der menschlichen Evolution geführt.«

 


© Sandra Danicke

 

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