von: Kirsten Stuckenhoff
»Den persönlichen Besitz außerhalb der eigenen vier Wände aufbewahren?Was in den USA seit den 60ern immer populärer wird, findet auch in Deutschland den Weg in den Alltag vieler Bürger.
Jenseits des Atlantiks erfreuen sich bereits mehr als 54 100 Lagerkomplexe unter der Bezeichnung Selfstorage großer Beliebtheit. In Deutschland ist das Angebot an Stauräumen in den vergangenen Jahren stetig gewachsen.
Was ist Selfstorage? Etwas sperrig mit Selbsteinlagerung übersetzt, bedeutet das Wort, das Eigentum nicht selbst zu Hause zu lagern. Stattdessen nutzt man den von Unternehmen bereitgestellten Platz. Die Kunden haben die Auswahl: Spontan, für kurze Dauer oder unbefristet, über kleine, einfache Stau-Boxen hin zur Anmietung von ganzen Abteilen.
In einer Selfstorage-Halle reiht sich Tür an Tür. Bunte, blaue oder gelbe – nach Anbieter variierend. Teilweise mit, teilweise ohne Schlösser. Es wirkt verlassen, wenn gerade kein Kunde dort ist. Transportwagen stehen bereit, das Licht geht automatisch an. Anonym von außen und doch vielfältig, wenn man die Gelegenheit bekommt, einen Blick hinter die Türen zu werfen.
Selfstorage ist eine spezielle Form des Lagerns: Das Eigentum ist bei den größeren Anbietern jederzeit frei zugänglich – im Gegensatz zur Einlagerung. Also quasi wie ein separater Abstellraum außerhalb der eigenen Wohnung. Laut Zahlen des Verbands deutscher Selfstorage-Unternehmen gibt es in Deutschland knapp 200 Lagerhallen. In Deutschland gehören nach Angaben des europäischen Branchenverbandes Fedessa das Unternehmen Myplace (30 Selfstorage-Häuser), Lagerbox (18) und Shurgard (16) zu den größten Anbietern. Shurgard arbeitet bereits seit 97 in Deutschland. Fernab der größeren Städte sind es vor allem Umzugsunternehmen, die ihr Angebot um Selfstorage erweitert haben. In Südbaden findet sich allerdings kein Selfstorage-Haus der größeren Vertreter.
In Freiburg ist die Dienstleistung noch relativ neu. So bieten Zapf Umzüge und City-Self-Storage seit 2016 Selfstorage an, Zenith Umzüge ist seit vergangenem Jahr mit von der Partie. Die Unternehmen wollen sicheren, sauberen und trockenen Raum für ihre Kunden anbieten. Ein weiteres Kriterium ist die Privatsphäre: Die Abteile sind nur für den Kunden einsehbar. Es wird nicht überprüft, was dieser lagert. Die Betreiber vertrauen hier ihren Kunden, ähnlich wie im Hotelbetrieb. Oft wird der komplette Transport zur Lagerhalle angeboten.
Die schwierige Suche nach einer geeigneten Wohnung veranlasst viele, ihr Hab und Gut zunächst in einer Selfstorage-Anlage zwischenzulagern, sagt Harry Schottstedt, Geschäftsführer von Zenith Umzüge. Auch bei einem Umzug in eine kleinere Wohnung wird gerne auf Selfstorage zurückgegriffen – quasi als Ersatzkeller oder -dachboden.
Michael Pogerth, Geschäftsführer von Zapf Umzüge, verweist auf die Möglichkeit, bei einem Nachlass mit einem größeren Raum anzufangen und dann den Stauraum zu verkleinern. Umgekehrt erzählt er von Start-ups, die klein anfangen und sukzessive ihren Raum erweitern. Generell nutzen vermehrt private Kunden das Angebot, doch auch gewerbliche sind keine Seltenheit. Zum Beispiel, um Akten zu lagern, die man nicht immer griffbereit haben muss, aber die im Büro unter Umständen viel Platz einnehmen. Anfangs gab es Vorführungen der Anlagen, um der Skepsis der Kunden entgegenzutreten. Diese braucht man heute kaum noch. Heute ist Selfstorage fester Bestandteil des Geschäfts, sagt Pogerth. Auch für die Zukunft sehen die Unternehmer in Freiburg keine nachlassende Nachfrage.
Deutsche Selfstorage-Anbieter sind generell optimistisch eingestellt. Laut Fedessa birgt der deutsche Markt großes Potenzial. So hat Großbritannien mittlerweile 1400 Selfstorage-Häuser. Ein US-Bürger verfügt über 0,878 Quadratmeter Staufläche, während der Durchschnitt in Deutschland bei 0,006 Quadratmeter liegt. Zur Veranschaulichung: Der Inhalt einer 30-Quadratmeter-Wohnung passt nach Angaben der Lagerhallenbetreiber bereits in eine Vier-Quadratmeter-Box.
Einer der Gründe für das wachsende Selfstorage-Geschäft ist der knapper werdende Wohnraum in Großstädten – weniger Stauraum ist vorhanden. Auch die steigende Mobilität der Bürger wird als Ursache für den Wunsch nach mehr Lagerraum genannt. Von den konjunkturellen Auf und Abs sind die Selfstorage-Betreiber nicht abhängig: Stauraum wird immer gebraucht.
Petra Beck, Ethnologin und Kulturanthropologin, verweist in ihrer Magisterarbeit “Restopia – Selfstorage als urbane Praxis” auf einen weiteren Aspekt der “Häuser für Dinge”: Sachen sind nicht einfach nur Eigentum, man identifiziert sich durch sie. Und dank kriegsfreier Jahrzehnte und gesteigertem Konsum, identifiziere man sich auch durch sehr viele Sachen. Sich von Sachen zu trennen, fällt leichter, wenn man sie an andere weitergeben kann – zum Beispiel an Kinder und Enkel. Bis dahin kann man sie ausgelagert aufbewahren. So finden sich ganze Lebenswelten hinter den Türen der Lagerräume.«
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Das Selfstorage-Geschäft wächst – Anbieter auch in Südbaden – Wirtschaft – Badische Zeitung