Selfstorage ist in Deutschland ein junger Dienstleistungszweig. Seit etwa zehn Jahren setzt sich die flexible Vermietung von Lagerräumen für private und gewerbliche Zwecke durch. Gerade in den Großstädten boomt die Branche.
Doch was führt dazu, dass immer mehr Menschen zusätzlichen Stauraum benötigen? Welche Gegenstände werden in Selfstorage Abteilen eingelagert und warum? Nicht zuletzt auch auf Grund des wachsenden wirtschaftlichen Erfolges und der gesellschaftlichen Bedeutung der Selfstorage-Branche beschäftigt sich nun zunehmend die Wissenschaft mit diesen Fragen. Nach einer ersten Veröffentlichung zur Grundlagenforschung in Österreich liegt nun die zweite große wissenschaftliche Arbeit im deutschsprachigen Raum zum Phänomen Selfstorage vor. Die Ethnologin Petra Beck konnte durch umfangreiche Feldforschung und kulturhistorische Betrachtung neue wirtschaftliche und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen.
Mit der Bedeutung von Raum und Platz für die moderne Gesellschaft beschäftigt sich mittlerweile die Forschung verschiedener wissenschaftlicher Fachrichtungen. Am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin legte nun Petra Beck ihre Magisterarbeit mit dem Titel „Restopia – Selfstorage als urbane Praxis“ bei Professor Wolfgang Kaschuba vor. Sie untersuchte das Phänomen Selfstorage im Rahmen einer kulturhistorischen Betrachtung und betrieb umfassende Feldforschung unter Mitarbeitern und Mietern von 14 Lagerhäusern verschiedener Anbieter in Berlin und München.
Flexibilität und Mobilität der urbanen Gesellschaft
Die Autorin identifiziert das Phänomen Selfstorage in Deutschland als rein urbane Praxis. Gründe hierfür sind vorrangig steigende Mietpreise in den Metropolen, fehlender Stauraum wegen feuchter Kellerräume und nicht zuletzt die Sammlung und Anhäufung von mehr Besitztümern als je zuvor. Besondere Bedeutung für den zunehmenden Bedarf an Selfstorage-Angeboten hat aber auch die wachsende Mobilität der Bevölkerung in allen Lebensbereichen. Häufige Wohnungs- und Arbeitsplatzwechsel zählen ebenso hierzu wie hohe Trennungs- und Scheidungsraten. All das trägt maßgeblich zum flexiblen Umgang mit Wohn-, Lager- und Lebensraum der urbanen Gesellschaft bei.
Aufheben oder Wegwerfen? Lagerraum und Persönlichkeit
Petra Beck erschließt das Selfstorage-Prinzip als ökonomisches, infrastrukturelles System und beleuchtet gleichzeitig vor allem den Umgang der Mieter mit ihren Dingen. Im Zentrum des Interesses bei der persönlichen Begegnung mit den Selfstorage-Nutzern steht die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Mieter, den Dingen, die er einlagert und „seinem“ Raum. Denn der Mieter füllt den anonymen Lagerraum über einen bestimmten Zeitraum mit persönlichen Gegenständen und füllt ihn so mit seiner Persönlichkeit, macht ihn sich dadurch zu Eigen. Besondere Aufmerksamkeit erfährt dabei die Betrachtung der Selektionsprozesse der Dinge, die eben nicht weggeworfen, sondern aufgehoben und eingelagert werden.
Blogprojekt Platzprofessor
Über die Betreuung der Arbeit hinaus will Professor Wolfgang Kaschuba die Studierenden des Instituts für Europäische Ethnologie weiterhin für die Themen „Platz“ und „Raum“ sensibilisieren. Er bietet deshalb seit letztem Sommersemester Seminare zum Thema „Raumnutzung“ an. Die Ergebnisse der Seminararbeiten werden nach und nach auf dem Blog „Platzprofessor“ (platzprofessor.myplace.eu/) veröffentlicht. Der Blog entstand 2011 aus einer Kooperation des Instituts mit dem Lagerraumanbieter MyPlace-Selfstorage und dient interessierten (Nachwuchs-) WissenschaftlerInnen und Nicht-WissenschaftlerInnen als Forum für die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Thema „Platz“ und „Raum“. Auch Studierenden, Absolventen oder Lehrstühlen anderer Universitäten bietet MyPlace-Selfstorage Unterstützung an, wenn Seminar- oder Abschlussarbeiten zum Thema „Raum“ und „Platz“ geplant werden.